Technik vs. Marketing

Frisch erlebt oder besser: ich erlebe es gerade. Ich schreibe, während es passiert: vor drei Wochen habe ich auf Empfehlung mit dem Key Account Manager eines Herstellers gesprochen, der ein wirklich tolles Produkt anbietet, das wir bei meinem Arbeitgeber schon händeringend suchen. Der Hersteller ist bekannt, hat einen guten Namen, Zahlen, Daten, Fakten kann man nachlesen, das Produkt ist schon so gut wie gekauft. Naja, ok, vorher kommt noch die Frage nach dem Preis.

Weil ich ein paar zusätzliche Kollegen aus den Bereichen Technik und Datenschutz sowie einen Entscheider dabei haben wollte, es geht immerhin um Summen, für die ich keine Freigabe habe, habe ich für ein gemeinsames Onlinemeeting gesorgt. Mit dabei sind ein Kollege, der am Computer üblicherweise weiße Schrift auf schwarzem Grund sieht, will heißen: der kennt Techniken und Verschlüsselungen, von denen ich noch nie gehört habe, ein weiterer Kollege, den man gerne auch Mr. Datenschutz nennen darf, ein Kollege aus der Riege der Entscheider, der auch sehr gut politisch argumentieren kann und ich, der sowohl Technik als auch Datenschutz versteht, aber eben nicht so umfassend wie die beiden Spezialisten. Ein weiterer Entscheider ließ sich wegen eines ausufernden Kundentermins entschuldigen.

Auf der anderen Seite, beim Hersteller der von uns gesuchten Lösung also, fanden sich der Key Account Manager und ein technisch versierter Berater ein, letzterer aus dem Auto heraus, auch dort war ein Termin eskaliert.

Das Meeting beginnt.

Der Hersteller arbeitet mit einem anderen Produkt als dem, für das er die beste Lösung der Welt anbietet. Hm. Ok, die Firma ist groß, das Produkt neu, die Umstellung noch im Gange. Kann man nachvollziehen. Bei fünfstelligen Userzahlen wechselt man nicht mal eben eine Lizenz. Allerdings würde ich das an ein paar wichtigen Stellen wie zum Beispiel bei Marketing und Neukundenkontakten durchaus nochmal überdenken.

Der technisch versierte Berater des Herstellers saß im Auto, der Key Account Manager war auf die Situation nicht recht vorbereitet. Bei einem Weltunternehmen. Nicht auszudenken, wenn die auch noch Ihren Job richtig machen würden, Universumsleader könnten die sein!

Mit nicht vorbereitet meine ich, dass der KAM die Präsentationen erst suchen musste, aber das ist verzeihbar, das wäre ja nicht sein Job gewesen. Allerdings hätten fünf oder zehn Minuten eingeplante Vorbereitungszeit mich dies gar nicht wissen lassen. Aber nach fünf Minuten war auch das geklärt.

Alle, die von unserer Seite aus dabei sind, haben bereits beschlossen: das wollen wir haben. Wir stellten uns vor, unsere Gegenüber wussten also: ein Datenschützer, ein tief in der Technik von Netzwerkprotokollen und Sicherheit verwurzelter, ein Entscheider und einer, der die Welten Datenschutz und Sicherheit vereint. Unsere Gegenüber wussten, dass wir auf der Suche nach genau so einem Produkt sind, das hatten wir mehrfach bestätigt. Wir haben klargemacht, dass es uns praktisch nur um ein paar technische Infos und um den Preis ging.

Und dann das:

Minutenlang wird das Unternehmen mit Zahlen, Daten, Fakten vorgestellt. Wir sind seit Jahren Kunde dort, wir stehen auf Du mit dem KAM.

Dann wird uns minutenlang erklärt, was es für Probleme in der Welt mit dem Datenschutz und der Sicherheit gibt, wie viele Vorfälle es in den letzten Jahren gegeben hat und dass die veröffentlichten Zahlen eigentlich aus dem US-Markt stammen und man Deutschland nochmal extra beleuchten müsste.

Nach satten 23 Minuten ging es dann über in eine sehr einfache Erklärung, ich nenne das mal Hausfrauenerklärung, ohne dabei Hausfrauen niederreden zu wollen. Das ist mein Ersatzwort für Personen, die von der Materie so gar keine Ahnung haben. Ja, eine einfache Erklärung hilft einem manchmal, etwas zu verstehen, aber acht Minuten alleine dafür war schon etwas über.

Der technische Ansprechpartner auf der anderen Seite bemerkte, dass nun eigentlich die erste Frage auftauchen müsste. Mein Kollege von der Sicherheitstechnik formulierte eine Frage, die jeder von uns verstand und mit deren Antwort die gesamte vorherige Erklärung überflüssig gewesen wäre.

Unser Entscheider bestätigte, dass die Technik klar sei und es uns in der Hauptsache um den Preis geht. Schon aus der Vergangenheit war klar, dass wir hier nicht um 12 oder 15 Lizenzen feilschen, sondern dass wir dreistellig allein für uns anfangen und für unsere Kunden nochmal eine mittlere vierstellige Zahl im Laufe von zwei Jahren erwarten.

Weiter ging es mit weiteren Erklärungen, ein einziges Programm wurde immer und immer wieder als Schlagwort genannt, obwohl schon lange klar war, an welchen zusätzlichen Stellen wir ebenfalls Bedarf haben. Diese wurden ebenfalls abgedeckt, aber eines war das absolute Buzzword. Nur Preise gab es nicht.

Dafür gab es die Info, dass eine nicht ganz unwesentliche Funktion aus Performancegründen nicht implementiert sei. Diese betraf ausgerechnet eine der Hauptfunktionen des immer und immer wieder als Aufhänger gebrauchten Programmteils. Nach meinem Dafürhalten nicht sonderlich klug, etwas als eine Allzweckwaffe anzubieten und zu bewerben, die eines der Hauptprobleme nicht bedienen kann.

Erst über eine Stunde nach Beginn der Websession fand der KAM dann endlich eine interne Excel-Tabelle, die für außenstehende erst einmal erschlagend viele Infos beinhaltete, aber immerhin: wir hatten den allerersten Preis zu hören bekommen. Wir waren ein wenig überrascht, denn der Preis lag fast doppelt so hoch, wie der eines uns bisher unbekannten Unternehmens, das eine ähnliche Lösung anbietet und diese Lösung über den Business-Kanal eines als Telefonriesen bekannten Unternehmens anbietet.

Der KAM beeilte sich, zunächst auf verschiedene Lizenzmodelle hinzuweisen und dass es verschiedene Pakete gibt, die wir buchen könnten. Der Techniker dagegen sprach erneut druckvoll sein Buzzword an und so drehte sich die Diskussion erst einmal im Kreis.

Nach einigen Minuten erfuhren wir dann, dass es sich dabei um das Komplettpaket handelt, das alles beinhaltet und dass wir ja 40% Händlernachlass bekämen. Ok, damit waren wir dann im vergleichbaren Preisbereich. Unser Vertrieb müsste aber den vollen Preis ansetzen und das ist auf dem Markt dann doch schon herausfordernd.

Der Techniker machte die Info mit dem Komplettpaket wieder zunichte, indem er uns von anderen Produkten erzählte, die auch noch im Angebot wären. Dummerweise würde sich ein richtiges Komplettpaket mit so richtig allem Drum und Dran ebenfalls anbieten, aber wir bekommen für den Preis eben doch nur einen Teil bekommen, eine Art Auszugskomplettpaket.

Erst, nachdem ich den Mitbewerb ansprach, der ein auf den ersten Blick vergleichbares Produkt anbietet, kam der Techniker auf die Idee, uns über die Unterschiede aufzuklären. Bei dem Preisunterschied darf man sich allerdings erst einmal fragen, ob die andere Lösung nicht auch genügen würde.

Jetzt wäre das alles nicht so der Rede wert, ich hätte es nicht veröffentlich, nicht einmal aufgeschrieben, wenn ich nicht gestern das Hörbuch gehört hätte, das ich gehört habe: Die Rede Deines Lebens“ von Tobias Beck. Puh, die haben aber auch jeden einzelnen Punkt versemmelt, den Tobias in seinem Buch bespricht. Sie haben außerdem alles ignoriert, was Dirk Kreuter seit Jahrzehnten predigt.

Wir werden das Produkt möglicherweise trotzdem kaufen, weil das die derzeit einzige Möglichkeit ist, das Videokonferenz- und Chattool Teams von Microsoft wirklich DSGVO-konform einsetzen zu können. Technisch wirklich eine sehr feine Sache, ähnliche Produkte scheitern da derzeit noch dran und stehen jetzt einer patentierten Lösung gegenüber. Jeder, der Teams oder überhaupt MS Office 365 einsetzt und darüber mit seinen Kunden über dessen Kunden kommuniziert, braucht diese Lösung, wenn er sich nicht nach DSGVO strafbar machen will. Aber darum geht es hier nicht. Es geht um ein ganz einfaches

Fazit

  1. Setze einen positiven Rahmen
    1. Sei vorbereitet
      1. Kenne Deinen Kunden
      2. Kenne Dein Produkt
    2. Spiele Deine Rolle so gut, wie Du das Produkt teuer verkaufen willst
  2. Sorge dafür, dass Dein Kunde sich wohlfühlt
    1. Lass keine unangenehm langen Pausen entstehen, die sich peinlich anfühlen
    2. Beantworte alle Fragen ohne zu zögern. Habe alle Unterlagen bereitliegen und gib sie unaufgefordert preis. Hantiere nicht mit unübersichtlichen Excel-Tabellen, die einen während einer Präsentation nur ablenken.
    3. Erzähle Deinem Kunden nicht eine Stunde lang, was er bereits weiß, was er nachlesen kann oder was ihn in diesem Moment nicht interessiert. Sag ihm, was er bekommt und was es ihn kostet.
    4. Wenn Du von verschiedenen Paketen sprichst, habe eine einfach zu erfassende Vergleichstabelle parat
  3. Beantworte direkte Fragen direkt und nicht über ausschweifende Umwege

Stay better!

Jörg

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